Mitsubishi Carisma Dynamics in Silber, aufgenommen 2021. Foto: Handrik

Es gibt Autos, die fast jeder sofort im Kopf hat. Und es gibt Modelle, die kaum jemand wahrnimmt, obwohl sie einmal wichtige Rollen spielen sollten. Der Mitsubishi Carisma gehört klar in die zweite Kategorie. Dabei brachte er vieles mit, das nach Erfolg aussah: solide Technik, die Zusammenarbeit mit Volvo und sogar eine echte Innovation mit der Direkteinspritzung. Trotzdem blieb er im Schatten von Golf, Astra und Civic. Ein Auto, das nicht ganz das hielt, was sein Name versprach. Heute trifft man ihn nur noch selten und genau das macht ihn interessant.

Mitte der Neunziger stand Mitsubishi in Europa unter Druck. Wer als Marke präsent sein wollte, musste im Kompaktsegment bestehen. Volkswagen hatte mit dem Golf längst die Messlatte gesetzt, Opel und Ford lagen mit Astra und Escort gut im Rennen, Toyota und Honda hatten ihre Modelle etabliert.

Um mithalten zu können, brauchte Mitsubishi ein eigenes europäisches Modell. Die Antwort war der Carisma. Er lief von 1995 bis 2004 im niederländischen Werk Born vom Band, Seite an Seite mit dem Volvo S40 und V40. Damit war er der erste Mitsubishi, der in Europa gebaut wurde und gezielt für europäische Kunden gedacht war. Verkauft wurde er ausschließlich in Europa und in Israel.

Mit gut 4,45 Metern Länge und 2,55 Metern Radstand war der Carisma größer als viele klassische Kompakte, preislich aber unterhalb der Mittelklasse angesiedelt. Er sollte also das Beste aus beiden Welten verbinden: Platz und Komfort, ohne den Aufpreis der größeren Modelle.

Die Motorenpalette reichte von 1,3 bis 1,8 Litern bei den Benzinern, dazu kamen Dieselmotoren von Renault. 1997 brachte Mitsubishi dann den 1,8 GDI im Carisma auf den Markt, parallel dazu erschien im Galant der 2,0 GDI. Damit war Mitsubishi der erste Hersteller, der die Benzin-Direkteinspritzung in Europa in Serie anbot. Die Technik versprach mehr Effizienz und Leistung bei weniger Verbrauch, erforderte aber auch sauberen Sprit und regelmäßige Wartung. Im Alltag funktionierte das auch, allerdings nur, wenn Wartung und Kraftstoffqualität stimmten.

Auch beim Fahrwerk wollte man mehr bieten als die Konkurrenz. Vorne setzte Mitsubishi auf die damals übliche MacPherson-Konstruktion, hinten aber auf eine aufwendige Mehrlenkerachse: für diese Klasse keineswegs selbstverständlich. Ab 1999 kam ein Facelift, das das Design etwas sachlicher machte und neue Ausstattungslinien einführte.

Ein besonderes Kapitel war das Sondermodell Dynamics. Es bekam ein Bodykit und 17 Zoll Felgen vom italienischen Hersteller Fondmetal. Damit wollte Mitsubishi dem Carisma etwas Sportlichkeit verleihen. Mit dem Facelift kamen außerdem die Linien Avance und Elegance ins Programm. Sie standen für sich und liefen unabhängig vom Dynamics.

Die Presse konnte mit dem Carisma wenig anfangen. Viele Tester fanden ihn solide, aber ohne besonderen Charakter. In Blogs wie Petrolblog wird er heute immerhin als „Guilty Pleasure“ bezeichnet: belächelt, aber besser, als man denkt.

In den Verkaufszahlen spiegelt sich das Bild deutlich. Deutschland war der wichtigste Markt:

●  1997 erreichte der Carisma 19.504 Neuzulassungen, was fast 30 Prozent aller in Deutschland verkauften Mitsubishi ausmachte.

●  2004 waren es nur noch 3.841 Autos, knapp 12 Prozent der Marke. In keinem anderen Land lief es besser.

Der Carisma konnte die Erwartungen von Mitsubishi nicht erfüllen. Als erstes in Europa gebautes Modell sollte er die Marke im wichtigsten Segment stärken, doch er blieb eine Randfigur. Die Konkurrenz war zu stark, das Design zu unauffällig, die Vermarktung zu vorsichtig.

Trotzdem lohnt sich der Blick zurück. Mit der GDI Technik wagte Mitsubishi 1997 einen Schritt, den andere erst Jahre später gingen. Das Fahrwerk war fortschrittlich, die Ausstattung solide und vieles an dem Auto seiner Zeit voraus. Dass der Carisma dennoch weitgehend vergessen wurde, liegt weniger am Auto selbst als an den Mechanismen des Marktes.

Heute wirkt er wie ein stilles Kapitel der Autogeschichte. Keiner der großen Namen, aber ein Modell, das Entwicklungen angestoßen hat. Ob er je den Sprung zum gesuchten Youngtimer schafft, bleibt offen. Wahrscheinlich bleibt er ein Geheimtipp für Kenner: ein Auto, das kaum einer auf dem Schirm hat, das aber genau deshalb spannend ist, wenn man es wiederentdeckt.

●  Emil Frey Import Services GmbH (Mitsubishi Presseabteilung Deutschland) - Mailantwort an den Autor, 02.09.2025

●  What Car? - Mitsubishi Carisma Used Review (2002)

www.whatcar.com/mitsubishi/carisma/saloon/used-review/n500

●  Driven to Write - „1995 Mitsubishi Carisma: Market Failure“ (2016)

driventowrite.com/2016/10/27/1995-mitsubishi-carisma-market-failure/

●  Petrolblog - „Guilty Pleasure: Mitsubishi Carisma“ (2015)

petrolblog.com/articles/guilty-pleasure-mitsubishi-carisma

●  AutoEvolution - „Mitsubishi Going on 40 in Europe“ (2012)

www.autoevolution.com/news/mitsubishi-going-on-40-in-europe-67986.html