„15 Liter Verbrauch auf 100 Kilometer muss man realistischerweise rechnen. Super bleifrei.“ Ich höre die Worte und rechne: Das bedeutet mindestens 24 Euro Kosten – für 100 Kilometer Fahrt. Das ist schon krass. Heutzutage. Wo 1-Liter-Autos nicht mehr in den Bereich von SciFi und 3-4-Liter-Autos völlig normal sind. Dafür schiebt den Lancia Thema V6 Pentastar 24 V ein voluminöser, aufgeladener 3,6-Liter-Motor mit 286 PS (210 kW) an, der allen erdenklichen Sprint-, Fahr- und Beschleunigungs-Komfort verheißt.

„Geht es auch einen Tick sparsamer?“ - frage ich den Lancia-Verantwortlichen bei Fiat, der mir den gewaltigen Testboliden übergibt. „Nun ja, laut Werksangabe ist der kombinierte Verbrauch mit 9,4 Liter normiert. 12 Liter sind vielleicht wirklich machbar“, sagt der Mann, schaut nachdenklich auf die große Luxuslimousine. „Hat den schon mal jemand tatsächlich unter 10 Liter gefahren?“ will ich wissen. „Ja, ich hörte davon. Erlebt habe ich das aber noch nicht. Und kennengelernt habe ich persönlich auch noch niemanden, der das geschafft hat.“

Puh. Das Auto wird mich ruinieren, fürchte ich. Lasse mich aber auf Anhieb vom Flair gefangennehmen, das mich umgibt, als ich einsteige. Nein, denke ich, Lancia hat alles richtig gemacht: Ein solches Auto darf ruhig schon mal ein Schlückchen mehr bekommen.

5,066 Meter lang, 1,902 Meter breit, 1,488 Meter flach, 8-Gang-Automatikgetriebe, klassischer Heckantrieb, gewaltige Scheibenbremsen auf den 20-Zoll Rädern mit Reifen im Format 235/55 R10, ABS ESP Antischlupf, Berganfahrhilfe, Assistenten, die den toten Winkel im Rückspiegel ausleuchten und den Fahrer warnen, Geschwindigkeitsregler, gekoppelt mit Abstandskontrolle und einem System, das bei Gefahr von Auffahrunfällen warnt, überall Kameras und Sensoren, Navi, Surround-Sound-System mit Konzertsaal-Klang, 1,876 Tonnen Leergewicht, beladbar mit nahezu einer halben Tonne „Frischfleisch“ und Gepäck über vier große Türen und einen Kofferraum, der 462 Liter fasst. Kerndaten nur, sicher, aber doch beeindruckend. Bescheiden nur das Fassungsvermögen des Tanks: 72 Liter. Reicht von Frankfurt/Main kaum bis Halle/Leipzig …

Brauche ich so ein Auto? Ich hadere mit mir.

Dann aber siegt die Neugierde und die Lust am Luxus: Leder, Chrom, nur die feinsten Materialien hat Lancia in diese Chauffeurslimousine verbaut. Und schließlich: Zu wissen, es ist ein Lancia, den man fahren darf – das ist schon allein die Lust wert.

Auf der Mainzer Landstraße nulle ich alle technischen Fahrdaten und nehme mir vor, erst einmal zu testen, wie das Gefühl in diesem 2-Tonnnen-Bomber ist …

… bin schon nach wenigen Kilometern überrascht: von der Leichtigkeit des Abrollverhaltens, der Geräuschlosigkeit des Dahingleitens, von der lebensleichten Art, mit der sich alle kleinen Helferlein und deren Details selbst erklären, ohne dass man sich ein Handbuch durchlesen müsste. Ich sitze in den Lederpolstern und genieße die freie Fahrt über die Autobahnen Hessens. Mal schauen, wie viel ich verbrauche – bei vernünftiger Fahrweise und Tempi nicht über 130 km/h.

Schon nach weniger als 100 Kilometern hat sich mein Durchschnittsverbrauch auf ca. 8 Liter eingepegelt.

Bilder sagen mehr als 1000 Worte – ich füge an dieser Stelle also einfach die Fotos an, auf denen man die Verbrauchswerte und die via Tempomat eingestellte Geschwindigkeit ablesen kann.

Nach genau 600 Kilometer Fahrt – schon im Berliner Süden – fülle ich den Tank: 46,3 Liter. Tatsächlich habe ich genau 7,7 Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Über eine Distanz von 600 Kilometer. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 102 km/h, auf zugegebenermaßen freien Autobahnen, wenig Baustellen und einer Tempomat-Einstellung von 130 km/h, wo immer das möglich war.

Eigentlich muss man mehr über den Lancia Thema nicht sagen. Wie ein Chauffeur in einem Chefwagen habe ich mich gefühlt, gefahren bin ich wie Gott in Frankreich. Ich habe jeden Kilometer genossen und in keiner Minute das Gefühl gehabt, das Auto zu tragen.

Also resümiere ich, was mich intuitiv übermannt hat, als ich eingestiegen bin: Mit diesem Auto hat Lancia alles richtig gemacht.

P.S.: Wir haben diesen Verbrauchstest mit identischen Werten einige Tage später noch einmal wiederholt. Wieder haben wir auf der Autobahn von Berlin – diesmal via Hannover nach Bremen – über 600 Kilometer 46,3 Liter verbraucht. Weniger haben wir nicht geschafft, mehr musste nicht sein. Und: Bei dieser Fahrt waren wir zu dritt und hatten viel Gepäck dabei. Auf den Verbrauch hat sich das nicht niedergeschlagen.

P.P.S.: Nun höre ich einige schon höhnen - „kann dieser Wagen aber auch richtig schnell sein?“ Auch das haben wir natürlich getestet. Der Tacho war bei 250 und somit fast am Anschlag. Und leise gurgelte der Motor seinen nun gewaltigen Benzindurst durch den 3,604-Liter-V6-Motor: Zeitweise über 25 Liter schluckte die schicke Kutsche nun. Der große Wagen lag dabei allerdings trotzdem so ruhig wie eine gewöhnliche Mittelklassekutsche bei Tempo 80 auf der Piste. Wir donnerten an allen großen Namen und Marken mit der Souveränität eines Champions vorbei – und fühlten uns auch so.

P.P.P.S.: Und auch die Stadt hat unser Testbolide ordentlich gemeistert. Dank Mini-Wendekreis, Servokomfort und tausend kleinen Finessen fühlten wir uns in der Altstadt von Havelberg ebenso wenig eingeengt wie in den Sträßchen rund um die angesagten Plätze in Prenzlauer Berg.

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