Ohne Zweifel wussten die Iren vor der EM, dass sie im Kampf um den Titel ähnlich große Chancen haben würden, wie betrogene Kleinaktionäre gegen Goldmann-Sachs vor einem New Yorker Känguru-Gericht. Die Iren konnten jedoch nicht ahnen, dass der Schiedsrichter Cüneyt Çakır ihre letzte Partie dergestalt offensichtlich-manipulativ zu ihren Ungunsten reglementierte, dass Keith Andrew nach einer unverständlichen roten Karte in der 90. Minute gar nichts anderes übrigblieb, als anfallsartig um sich zu hauen.

Sechs Fragen waren es, die sich vor der Begegnung in natürlicher Weise stellten:

1) Zeigen die Italiener Angriffsfussball, anstatt opportunistisch ausschließlich auf Konter zu machen?

2) Welche Figur macht Italien, wenn es sich Angriffsspiel aufzubauen entschließt?

3) Versuchen die die Iren, Italiens bisherige Taktik zu emulieren?

4) In welcher Minute sieht Giorgio Chiellini die rote Karte?

5) Haben die Italiener den Schiedsrichter bestochen? Wenn ja, haben die Linienrichter auch ihren Teil bekommen?

Die Antwort zu Frage Nr. 1 lautet: Nein. Italien ist genetisch nicht dazu in der Lage. In einem Land, in dem Opportunismus eine grundlegende Überlebensstrategie für dessen Bewohner darstellt, haben langfristig orientierte Ansätze keine Existenzberechtigung. Opportunismus ist hier nicht in seiner engeren, negativen Bedeutung zu verstehen, denn als eine Haltung, die aus den Umständen geschuldeter Notwendigkeit erwächst, sich der Realität intelligent anpassen zu müssen und nicht diese lutherisch-moralisierend verändern (und vor allem Anderen aufzwängen) zu wollen. Konterfußball ist der Inbegriff einer opportunistischen Gewinntaktik. Diesem Spielökosystem optimal angepasst ist übrigens genau jener Spielertypus wie ihn die beiden (jeweils Antonio) Di Natale und Cassano verkörpern.  

"Brutta figura" lautet die Antwort auf Frage Nr. 2. Die wenigen Versuche, in denen sich Italien mit Ballbesitz ohne Kontersituation aufbauendem Angriffsspiel hingibt, sind schlichtweg jämmerlich. Vom Beginn der Partie bis zur 30. Minute und ab der 65. sind die Iren ohnehin frisch aufspielend dominant und Italien kommt in diesen Phasen nicht zu der Quantität an Kontern, wie es gegen den Underdog nicht nur der Gruppe C sondern des gesamten Feldes dieser EM zu erwarten gewesen wäre.

Irland verdient großen Respekt, sein Ausscheiden ist ein Verlust für die EM. Seine Spieler protestieren gegen echte und scheinbare Unrechtsbehandlung durchwegs katholisch-fluchend und nicht ekstatisch-verflennt deklamierend. Die gegen Spielende unignorierbar sich in Gestik und Mimik äußernde, blanke Verzweiflung der irischen Spieler resultiert nicht aus dem 0:2-Rückstand - die Inselkelten waren ja vorher schon sicher ausgeschieden. Grund war ein katastrophal schlechter, bösartiger Schiedsrichter. Auch den Zuschauer auf dem heimischen Sofa packt die Wut angesichts dieser frech-inkonsistenten, anmaßend-regelbeugenden, die Iren eindeutig benachteiligenden Spielmanipulation. Giorgio Chiellini hätte in der 18. Minute den gelben Karton sehen müssen. Wer zu diesem Zeitpunkt die krass einseitig wirkenden Eingriffe des Schiedsrichters in Gedanken mit dem aktuell tobenden italienischen Wettskandal verband, hätte die Schonung Chiellinis als zentralen Bestandteil des Deals erkennen müssen.  

Giorgio Chiellini, bei seinen Fouls unbehelligt vom Schiedsrichter wie die SPD in Nordrhein-Westfalen bei der Verteilung von Steuergeldern an ihre Klientelwähler, wird in der 57. Minute verletzt vom Platz getragen. Frage Nr. 4 ist also mit " in der 57." zu beantworten, wenngleich der Platzverweis in Umgehung von Cüneyt Çakır von Seiten höherer Gewalt angeordnet wird.

Frage Nr. 3 beantwortet sich mit einem klaren Nein. Irland kämpft ohne jegliches destruktives Taktieren von der ersten bis zur letzten Minute um Tore, nicht um deren Vermeidung. Das Spiel gehört den Iren in der ersten dreissig Minuten der ersten Halbzeit sowie ab der 65. Minute bis Spielende. Spielerisch sind die Iren besser, als es ihr Abschneiden in der Gruppenphase suggeriert: Siehe z.B. die 5. Minute, in der die Iren kurzzeitig deliziösestes Kurzpass-Spiel vorführen und die Italiener an deren Strafraum wie Tölpel aussehen lassen.

Frage Nr.5 zu beantworten, liegt nicht im Ermessen eines Kommentators. Auch fällt es schwer, individuelle und systemimmanente Korruption auseinanderzuhalten. Als Schiedsrichter wird man ja automatisch Teil eines entarteten FIFA-Systems, das den Fußball faktisch besitzt und obendrein das inoffizielle Mandat eines globalisierten Ministeriums für Fußballzirkusspiele innehält. Es ist auch sinnlos und Zeitverschwendung, über andere mögliche Motive der parteiischen Regelauslegung zu spekulieren: Ist Cüneyt Çakır in einem persönlichen Rachefeldzug begriffen? Mag er Iren nicht? Ist eine aus seiner Sicht offene Rechnung zu begleichen? Haben die Iren in der Vorrunde dazu beigetragen, dass der Türkei eine Teilnahme bei dieser Europameisterschaft verwehrt blieb? Alles fruchtlose Spekulation.

In allem, Italien hatte wie immer und trotz allem die suggestiveren Tormöglichkeiten. Di Natale war es mehrfach nur um Haaresbreite versagt, den Ball ins Netz zu bringen, insbesondere mit einem großartigen Drehschuss in der 29. Minute zeigt der Stürmer seine Gefährlichkeit. Der Kampf der Azzurri wirkte müde, die Spieler körperlich erschöpft, nicht lustlos. Die Zirkusmeister geben jede Saison ein anspruchsvolles Pensum vor. In einer Szene findet der Kampfgeist der Italiener seine höchste Ausdruckskraft, als der der irischen Nr. 7 im Zweikampf fussballerisch unterliegende Federico Balzaretti zum Streetfighter wird und auf dem Weg zum Boden die Hose des Gegners mitzunehmen versucht.

Ich für meinen Teil werde die Iren um Damien Duff und Keith Andrew schwer vermissen.