Die Energiewende lahmt – von einem dynamischen Umbau der Energieinfrastruktur ist man vielerorts weit entfernt. Auch Baden-Württemberg ist keine Ausnahme, lautet das Resümee des Verbandes für Energie- und Wasserwirtschaft (VfEW). „Wir erkennen Fortschritte beim Ausbau der Windkraft und in der energetischen Sanierung öffentlicher Liegenschaften. Der für die Energiewende erforderliche Bau zusätzlicher Transportleitungen von Nord- nach Süddeutschland kommt jedoch nicht voran. Zudem scheitert der für die Zukunft wichtige Neubau von Gaskraftwerken auch in Baden-Württemberg aufgrund ungenügender Rentabilität“, sagte Rudolf Kastner, Präsident des VfEW, heute der Presse in Stuttgart. „Wir brauchen zügige Genehmigungsverfahren, bei denen auch die Politik ihren Beitrag zur Akzeptanz der erforderlichen Projekte bei den Bürgern leisten muss. Und nicht zuletzt gilt es, bei der Sicherstellung der Versorgung zu einer europäischen Sichtweise überzugehen.“
 
Die Forderung des VfEW lautet klar: In Zukunft muss die Versorgungssicherheit im europäischen Verbundsystem unter wechselseitiger Nutzung der vorhandenen Erzeugungs-, Speicher- und Kraftwerkskapazitäten sichergestellt werden. Kastner: „Entsprechend halten wir die Einführung eines deutschen Kapazitätsmarktes, wie ihn die baden-württembergische Landesregierung anstrebt, nicht für sinnvoll – zumal wir in Europa momentan Überkapazitäten haben.” Der VfEW, der über 230 Energie- und Wasserunternehmen in Baden-Württemberg vertritt, spricht sich klar für die Beibehaltung eines europäisch organisierten Energiemarktes aus und fordert deswegen zwingend eine europäische Sichtweise bei der Debatte über die Versorgungssicherheit. „Das bedeutet auch, dass es in Zukunft keine Alleingänge einzelner Länder geben darf. Energiepolitische Entscheidungen müssen künftig europaweit koordiniert werden”, so der Branchenexperte.
 
Ein weiteres Sorgenkind der Energiewende bleibt weiterhin der Netzausbau. So sind der Ausbau der Transportnetze in Deutschland sowie der Ausbau der Kuppelleitungen zwischen den Ländern Europas dringend notwendig. Ohne neue finanzielle Rahmenbedingungen können diese jedoch nicht voran gebracht werden. Aktuell entsprechen die Marktbedingungen nicht mehr den Anforderungen der Energiewende. Auch Investitionen in den Netzausbau müssen wieder attraktiver für Investoren werden – so die Position des Verbandes. „Ein Großteil des regenerativen Stroms entsteht im Norden, bekanntlich ist aber der Verbrauch im Süden der Republik besonders hoch. Entsprechend muss in Zukunft dafür gesorgt werden, dass die Nachfrage im Südwesten auch mit Windstrom aus Norddeutschland gedeckt werden kann“, so der VfEW-Präsident. Darüber hinaus müsse geprüft werden, ob auch ein Ausbau der Gastransportnetze von Norden nach Süden notwendig sei. Im Februar kam es zu Versorgungsengpässen im Süden, obwohl die Gasspeicher im Norden noch ausreichend gefüllt waren. „Die Bedeutung der Erdgasversorgung darf in der Debatte über die Energiewende und die Versorgungssicherheit nicht außer Acht gelassen werden“, warnt Kastner.
 
Positiv beurteilt der Verband die Entwicklungen der letzten Monate in den Bereichen Windkraft und Energieeffizienz in öffentlichen Liegenschaften. „Das neue Landesplanungsgesetz schafft bisherige Barrieren ab. Künftig wird es leichter, in den für Windkraft ausgewiesenen Gebieten auch tatsächlich zu bauen – das ist ein bedeutender Schritt für Baden-Württemberg”, beurteilte Rudolf Kastner. „Im Idealfall konzentriert sich der Bau der Windkraftanlagen künftig auf die von den Regionalverbänden empfohlenen Premiumgebiete – damit bleibt auch die Gefahr der Verspargelung gering.“ Nichtsdestotrotz ende die Zuständigkeit der Landesregierung hier nicht. Kastner: „Das neue Gesetz ist nur ein erster Schritt. Wir sehen die Landesregierung in Zukunft an übergeordneter Stelle weiter in der Pflicht, den landesweiten Ausbau zu überwachen und gegebenenfalls steuernd und unterstützend einzugreifen, wenn zielführende Projekte nicht vorankommen.“
 
Fortschritte mache das Land auch im Bereich der Energieeffizienz. „Projekte wie der Bau des Blockheizkraftwerkes an der Universität Konstanz oder die Abwasserwärmenutzung im Ministeriumsneubau in Stuttgart zeigen, dass die Landesregierung an der richtigen Stelle ansetzt“, so Kastner. Auch dass die Finanzierung über ein In-Contracting-Modell abgewickelt würde, das den Landeshaushalt nachhaltig entlaste, sei beispielhaft. Doch auch hier könne die Landesregierung in Kooperation mit der Energiewirtschaft zügiger vorankommen. Kastner: „Für die Ausstattung öffentlicher Liegenschaften mit effizienten, dezentralen Energieversorgungssystemen stehen die baden-württembergischen Energieversorgungsunternehmen als Contracting-Partner zur Verfügung.“

Über den VfEW:

Der Verband für Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (VfEW) vertritt mit seinen über 230 Mitgliedsunternehmen nahezu alle Energie- und Wasserversorgungsunternehmen und versteht sich als deren Sprachrohr in Baden-Württemberg. Er ist gleichzeitig Landesorganisation des  Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW). Der BDEW vertritt als Spitzenverband der Energie- und Wasserwirtschaft die Interessen seiner rund 1.800 Mitgliedsunternehmen auf Bundesebene.

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