Das Weidevieh geht grasend über die Felder. Gänse schnattern unter den Eichen entlang der Platanenreihen vor den kleinen Waldgruppen, die so friedlich zusammenstehen, wie es auch andernorts als Sinnbild für Frieden und Idylle steht. Die Felder von Ypern - ein Urlaubsort? Ganz sicher nicht. Es waren einige der blutigsten Kämpfe des Ersten Weltkrieges, die gewaltige Krater in die heute so friedliche Landschaft mit ihren intensiv genutzten Feldern und idyllischen Gehöften unter schattenspendenden Baumgruppen gerissen haben.

"Flanders fields. Ort der Erinnerung", heißt eine Broschüre des Tourismus-Büros von Flandern. Gemeinsam mit Partnern aus aller Welt werden darin die Zeugnisse der Geschichte zusammengestellt, die man in dieser Dichte auf so engem Raum wohl nirgendwo sonst in westeuropäischen, ehemaligen Kampfgebieten findet.

"Am 4. August 1914 fielen deutsche Truppen in Belgien ein. Sie beantragten bei König Albert I. freien Durchmarsch durch das Land, um Frankreich in den Rücken zu fallen ... Der König verweigerte die Genehmigung. Der berüchtigte Schlieffenplan musste von den Deutschen erzwungen werden."

Es folgte ein schleppender Vormarsch der Kaiserlichen Deutschen Armee über Limburg westwärts: Dinant, Andenne, Aarschot und Leuven, von den Ardennen hinab in den "Garten Belgiens" und weiter in die westflandrische Ebenen rund um Ypern, wohin sich die stark geschwächten belgischen Truppen nach dem Fall der Festung Antwerpen zurückgezogen hatten. Ihre Stellungen hinter der Yserlinie nutzten die letzten, natürlichen Hindernisse, um den Vormarsch der Armeen des Deutschen Kaisers aufzuhalten.

Beispiele und Leseproben:

"1914: Die erste Flandernschlacht

Es gelang den belgischen Truppen, den deutschen Angriff aufzuhalten, indem sie die Yserpolder vom 27. bis 29. Oktober 2014 fluteten. Im Süden hatten die Briten zusammen mit den Franzosen die größten Schwierigkeiten, ihre Stellungen rund um Ypern gegen die deutschen Angriffe zu halten. Nach dieser Schlacht waren die Fronten festgefahren und es begann ein langer Stellungskrieg. Der so genannte ,Ypres Salient' (Ypernbogen), eine halbrunde Ausstülpung der britischen Frontlinie in deutschem Gebiet, war entstanden."

Über die folgenden Gräuel legt die Dauerausstellung im "Flanders Fields Museum" im Stadtzentrum von Ypern ein beredtes Zeugnis ab. Sie zeigt, was Museen sonst kaum leisten: Zeitzeugen, die weniger anklagen, dafür um so mehr Fakten benennen, Fundstücke eines Grauens, das wir heute den Ersten Weltkrieg nennen. mehr dazu hier

"1915: Die zweite Flandernschlacht

Im Frühling des Jahres 1915 versuchten die Deutschen erneut bei Ypern durchzubrechen und eroberten dabei ,Hill 60'. Am 22. April 1915 setzten sie zwischen Steenstrate und Langemark zum ersten Mal Giftgas ein. Tod und Panik bei den völlig überraschten Alliierten war die Folge. Sie zogen sich ein paar Kilometer weit zurück, ein Durchbruch war jedoch nicht möglich. Auch die Deutschen waren überrascht. Im September verwendeten dann auch die Briten bei Loos Chlorgas."

Mit dem Gaskrieg, auch damals schon nach der Genfer Konvention verboten, war eine neue Dimension des Schlachtens eingeläutet worden. Blutiger und mit mehr Opfern war bis dahin noch nie ein Krieg geführt worden.

"1917: Die Dritte Flandernschlacht

Am 7. Juni 1917 bebte die Erde unter den Deutschen. Es wurden 19 unterirdische Minen zur Explosion gebracht. Diese bis dato größten Explosionen der Kriegsgeschichte konnte man bis London hören (,Minenschlacht bei Mesen-Wijtschate').

Im August desselben Jahres fand die Schlacht um Passchendaele statt. Sie wurde zu einer regelrechten Katastrophe. In den vier Monate dauernden Kämpfen für einen Gebietsgewinn von nur acht Kilometer verloren die Briten rund 400.000 Mann. Die Zahl der Opfer bezog sich auf Tote, verwundete, Vermisste und Kriegsgefangene. Die Deutschen hatten starke, mit etlichen Maschinengewehren bestückte Betonbunker errichtet, die kaum zu erobern waren.

1917 setzten die Deutschen zum ersten Mal Senfgas oder Ieperiet ein. Im Gegensatz zu Chlor und Phosgen beschädigt Senfgas nicht nur die Atemorgane. Es verursacht auch Blasen auf der Haut, die quälende Schmerzen verursachen."

Dass alle diese Kriegsverbrechen sogar noch auf bis Kriegsbeginn neutralem Boden Belgiens stattgefunden hat, macht die ungeheuren Aggressionen heute umso unverständlicher, als die deutsche Armee mit ihrem Belgien-Feldzug "lediglich" den Durchmarsch ins südlich benachbarte Frankreich zu sichern suchte. Und doch war es Belgien, wo der Krieg schließlich verloren wurde.

"1918: Die deutsche Frühjahrsoffensive

Im Frühjahr des Jahres 1918 wurden die deutschen Truppen um Divisionen verstärkt, die von der russischen Front zurückkehrten. Die Oktoberrevolution hatte den Krieg dort beendet. In der Schlacht von Merkem am 17. April 1918 waren die belgischen Truppen einem massiven Angriff der Deutschen ausgesetzt. Trotz des schweren Angriffs wurden die Deutschen in ihre Ausgangspositionen zurückgedrängt. Die Schlacht um den Kemmelberg machte vor allem den Franzosen schwer zu schaffen. Am 25.April 1918 wurde der Kemmelberg erobert und Ypern fiel fast in deutsche Hände."

Dass es dazu nie kommen sollte, die Friedensstadt Ypern bis Kriegsende eine freie, belgische Provinzstadt geblieben ist, war nicht nur dem unglaublich starken, alliierten Einsatz und dem Kriegseintritt der Amerikaner zu verdanken. Mehr noch waren es die deutschen selbst, deren Oberste Heeresleitung die Situation nicht richtig einschätzte und die somit die Soldaten auf den Feldern über alles erträgliche Maß hinaus zerstörten ... in der Veröffentlichung des Tourismus-Büros Flandern heißt es dazu:

"28. September - 11. November 1918: Die Alliierte Befreiungsoffensive

Die deutschen Reserven gingen ... zur Neige und die Amerikaner griffen an der Westfront an. Außerdem bröckelte die deutsche Heimatfront. Vom 28. September bis 11. November 1918 fand dann die Befreiungsoffensive statt, die die Deutschen bis an die Schelde zurückdrängte. Am Samstag, den 28. September 1918 griffen die Belgier den Vrijbos in Houthulst an (,Schlacht um den Wald von Houthulst'). Zu diesem Zweck wurden fast alle belgischen Truppen mobilisiert und um die zweite britische Armee und einige französische Divisionen verstärkt. Am Ende des ersten Tages waren alle feindlichen Stellungen in einem Bereich von 18 Kilometer Breite und sechs Kilometer Tiefe eingenommen."

Der Krieg ging seinem unrühmlichen Ende entgegen. am 11. November 1918 wurde in einem Eisenbahnwagon im französischen Compiègne der Waffenstillstand unterzeichnet. Es war 11 Uhr Vormittag.

Die wenigen Ausschnitte lassen erahnen, wie das Land ausgesehen hat, auf dem eine halbe Million Menschen ihre Leben ließen ... und heute?

Im Flanders Fields Museum wird die Geschichte lebendig, Krieg und Trauma von Generationen verständlich. Und wer mit den Menschen spricht, hört zugleich heraus, dass die Trauer wie ein Flor über dem ganzen Land liegt. Ja, je mehr die Menschen lachen, um so mehr verdrängen sie ... ein Leid, das auch in 100 glücklicherweise vergangenen Jahren nicht zu vergessen gewesen ist.

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Woods Cemetery, ein Friedhof an den Schlachtfeldern im Süden von Ypern

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