Alexander Masold – Energie ist sein Antrieb
Das Deutsche Eck hat etwas Unvergängliches. Alexander Masold, Vorstand der energycoop eG, blickt über die Felsen auf der rechten Rheinseite, die Kabinenbahn, die hoch zur Festung führt. Dann schlendern wir auf die Landspitze, an deren Nordseite die Mosel in den großen, vaterländischen Strom, den Rhein fließt. „Mein Traum war früher der Arztberuf. Ich wollte Menschen heilen, etwas Gutes tun, etwas, das bleibt“, sagt der fast noch jungenhaft wirkende 32-jährige. „Als ich älter wurde, etwa in der 10. Klasse, dachte ich, Mittlere Reife ok, wenn du aber deinen Traum leben willst, musst du mehr schaffen. Oder du machst einen Job, der das Geld verdient, mit dem du deine Ziele später angehst.“ Das war 1998. „Ich machte also später Abitur auf dem 2. Bildungsweg und ein Studium.“
Zunächst aber bewarb sich Alexander Masold bei der Stadtverwaltung Koblenz. Eine solide Ausbildung, drei Jahre, Abschluss als Verwaltungsfachangestellter, führte Masold zum Sozialamt, später zum Rechnungsprüfungsamt. „Ich wollte Publikumsverkehr, wollte mit Menschen arbeiten. Beim Rechnungsprüfungsamt hatte ich die Aufgabe, sämtliche Kassen der Stadt Koblenz zu prüfen. Dadurch kam ich viel raus und hatte unglaublich viel Freude an meiner Arbeit.“
Die Abendschule, die 2003 mit der Hochschulreife endete, machte er parallel: Jeden Abend neben der Arbeit Schule. Auch samstags. Der Traum vom Studium wurde greifbar.
Eines Abends 2003 klingelte das Telefon im Haus seiner Eltern, wo der Junge noch lebte: Eine freundliche Frauenstimme fragte, ob er Interesse habe, zu sparen. Die Frau war von Yello Strom. Masold vereinbarte für seine Eltern einen Termin – und die sparten mit dem neuen Energieversorger 90 Euro jährlich. „Für mich war das eine tolle Sache: etwas zu kaufen, das man sowieso braucht, aber weniger für dieselbe Leistung zu bezahlen. Ich entschloss mich, dem Phänomen Beratung auf den Grund zu gehen.“
Fortan vermittelte Alexander Masold Aufträge für Neukunden von Yello: „Ich merkte nach anfänglichen Pannen schnell, dass Fachwissen und der Mut, Fragen ehrlich zu beantworten, das Wichtigste sind, wenn man neue Kunden an ein gutes Produkt heranführt“, sagt Masold, blickt hoch zum Kaiserstandbild, lacht. „Wenn man es richtig macht, ist es so einfach, wie das Produkt, in diesem Fall der Strom, gut und günstig war: Von der ersten Vertragskundin erhielt ich drei Empfehlungen. Mutter, Bruder und Freundin. Alle drei haben Termine gemacht und gewechselt sowie jeweils drei neue Empfehlungen gegeben. So zog meine Arbeit Kreise. Bald brauchte ich jemanden, der mich unterstützte, so viel hatte ich mit den Vertragsabschlüssen zu tun.“
Mein Rekord waren 21 Neukunden an einem Tag. Jede Woche schloss ich 30-40 Neukundenverträge ab – und das alles neben der Arbeit für die Stadtverwaltung Koblenz.“
So eine Arbeit schult vor allem ein strenges Zeitmanagement. Der energieberatende Rechnungsprüfer wohnte in Zell an der Mosel, arbeitete in Koblenz, hatte täglich zwei Stunden für die Hin- und die Rückfahrt, dazwischen teilweise bis nachts 23.30 Uhr machte er seine Arbeit als Energieberater.
Masold: „Es fehlte trotzdem noch was. Zwar hatte ich einen tollen Job: einen perfekten Überblick über alle Kassen, Landesmittel und Projekte der Stadt Koblenz … aber es hat mich nicht ausgefüllt. Und mein Nebenjob, Yello, war ein Zeitgeistphänomen. Das spürte ich sehr schnell.“
Also hat der Wissensdurst gesiegt: Masold hängte seinen sicheren Job an den Nagel, kündigte im Rathaus, „was niemand verstanden hat“, wechselte nach Trier und studierte Betriebswirtschaftslehre. „BWL war mir aber zu trocken und zu mathematiklastig. Also wechselte ich zu Jura. 2012 habe ich abgeschlossen, mit BA LLB. Finanziert habe ich mir das Studium und das Leben in der Zwischenzeit immer noch mit Energievertrieb, seit 2010 aber nicht mehr bei Yello.“
Der Grund: „Kurz nach Weihnachten 2009 fand ich ein Einschreiben im Briefkasten. Von Yello: Die kündigten ihren Direktvertrieblern die Verträge, weil sie auf Online-Marketing umstellten. Das heißt: Alle Direktvertriebler inklusive Innendienst und Vertriebsleiter wurden von Heute auf Morgen auf die Straße gesetzt. Freigestellt. Alle. Man benötigte die Dienste nicht mehr. Ich fand das unfassbar kulturlos.“
Doch auch einem solchen Bruch wohnt eine neue Chance inne: „Es dauerte gefühlt zwar eine Ewigkeit, aber bis Oktober 2010 hatte ich eine neue Vision entwickelt. Ich schloss mich mit mehreren Kollegen zusammen und wir begannen, Kunden für andere Energieversorger zu vermitteln. Bei dieser Arbeit wurde mir klar: Den Kunden interessiert ganz allein der Nutzen.“
Mit immer mehr Energieberatern, die sich ihm anschlossen, hat Masold schließlich AME-Energy gegründet, seine erste, eigene Firma.
„Wir sind sehr schnell gewachsen. Also begann ich, Agenturen zu bilden, die diese Vertriebspartner mit betreuen. So haben wir heute ca. 2.500 Vertriebspartner, die jeweils Agenturen angeschlossen sind, mit denen wir arbeiten.“
Das bildete die perfekte Basis für ecoop.
„Durch einen glücklichen Zufall habe ich im Januar 2013 Walter Knapp kennengelernt, der mich vom ersten Augenblick an faszinierte. Seine Ideen, die humanistischen Ansätze einer Genossenschaft, die bestmögliche Art, für Kunden, ob groß oder klein, die optimalen Preise am Markt zu erzielen und transparent darzustellen – das genau war es, was ich ja auch als meine eigene Mission empfunden habe.“
Außerdem waren sich Masold und seine Vertriebspartner sowieso einig, dass die periodische Umschreiberei von Kunden von einem zum anderen Energieversorger keine langfristige Perspektive mehr haben könnte. „Also nehme ich heute meinen gesamten Vertrieb einfach mit und wir alle werden unsere Kunden davon überzeugen, dass es ecoop ist, wo man bestmöglich und zu transparenten Preisen Strom beziehen kann. Wir haben mit dem Modell des Walter Knapp dabei ein Alleinstellungsmerkmal, das das Zeug hat, uns in zwei bis drei Jahren unter die Top 10 der deutschen Energieversorger zu katapultieren. Das ist jetzt mein großes Ziel.“
Wir lassen das Deutsche Eck hinter uns. Der Eindruck der Unvergänglichkeit, der Nachhaltigkeit und des ewig Gültigen begleitet uns, während der Vorstandschef resümiert: „ Es fühlte sich gut an, ein Konzept verstanden zu haben, das so einzigartig ist wie das von ecoop. Die Menschen dort abzuholen, wo sie ansonsten allein und verloren stehen. Vor einem Markt, den heute eigentlich kaum noch einer versteht.“
Warum es so schwer sein soll, den Strommarkt zu verstehen, frage ich Masold.
Der Freund eines guten Engineering „Made in Germany“ lenkt seinen Wagen durch die Stadt, zeigt aufs Rathaus und sagt: „Da gibt es eine große Politik, die predigt die Energiewende. Man sagt, die wird teuer. Die Menschen regen sich zu Recht über steigende Strompreise auf, aber niemand erklärt ihnen, was wirklich dahinter steht. An dieser Stelle möchte ich etwas verändern. Ich möchte die Menschen vereinen, zusammenführen. In unserer Genossenschaft werden wir ihnen erklären, was passiert. Jeder, der will, kann auf diese Weise selbst sehen, dass man eine Gegenkraft erzeugen kann. Durch die große Menge an Menschen in einer Genossenschaft kann man etwas verändern.“
Der Strom der Zeit – in der Genossenschaft ein Erziehungsmuster?
„Ja“, sagt Masold. „Die Menschen verstehen mehr und mehr, dass es nicht nur um billig geht, sondern um Gerechtigkeit. Die Menschen begreifen, dass Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit etwas kostet, den Preis aber wert ist. Langfristig. So ist unsere Genossenschaft eine Art Familie, in der alle für ein Ziel einstehen. Wir leben die Genossenschaft, gestalten gemeinsam, haben ein Unternehmen, das uns allen gehört. Das ist eine vollkommen neue Unternehmenskultur. Bis jetzt gibt es das in dieser Form nicht. Wir werden es zu einem Gesellschaftsmodell gestalten, das Schule macht.“